Gemeinschaftspraxis
 

Behandlung von Patienten mit Steißbeinfistel
Patienteninformation

Da viele Patienten eine weite Anreise haben, möchten wir Ihnen hier einige wichtige Informationen zu den von uns angewendeten Operationsmethoden „Pit picking“ und Operation nach Karydakis an die Hand geben.

1.    Die „Pit Picking“ Operation
Es handelt sich um den kleinsten Eingriff, der für die Behandlung der Patienten mit Steißbeinfistel (Sinus pilonidalis) existiert. Der Eingriff wird stets ambulant in Lokalbetäubung durchgeführt. Die Operation folgt in meisten Fällen direkt nach der Untersuchung und dem Aufklärungsgespräch. Patienten, die eine weite Rückreise vor sich haben, können unmittelbar nach dem Eingriff die Heimreise antreten. Allerdings raten wir Patienten, die sich in medizinischen Einrichtungen unsicher fühlen, die Angst vor medizinischen Eingriffen haben oder die einen schwachen Kreislauf haben (Neigung zum ohnmächtig werden, zu Übelkeit und zum Schwitzen beim Ansehen vom Blut), sich doch lieber begleiten und fahren zu lassen. Im Notfall ist selbstverständlich auch eine Übernachtung im Krankenhaus möglich.







               Abb. 1: Die Fisteln in der Falte („Pits“) sind mit
               Pfeilen markiert. Die Anzahl der Fistel spielt
               weder im Verlauf der Erkrankung, noch in der

               Behandlung eine Rolle. Die Stelle, an der früher

               ein Abszess (Eiterbeule) eröffnet wurde, ist mit

               einem Pfeilkopf gekennzeichnet.

Der Eingriff wurde 1980 von dem Amerikaner John Bascom beschrieben und wird heute noch von ihm verwendet. Allerdings hat dieses Verfahren trotz mehrerer Erfahrungsberichte keine breitere Bekanntheit gewinnen können und bleibt den meisten Ärzten gänzlich unbekannt. Dies wohl auch, weil sowohl Bascom, als auch einige seiner Nachfolger den Eingriff ursprünglich anders benannten.

J. Bascom hatte in mehreren Studien zeigen können, dass die in der Gesäßfalte liegenden Fisteln über eine Strecke von wenigen Millimetern von Haut ausgekleidet sind und aus diesem Grund sich spontan nicht schließen können. Über die stets offenen Fisteln („Pits“) können Haare, Hautschuppen oder Bakterien unter die Haut gelangen und eine Entzündung verursachen. Das Prinzip der Operation ist es, von Haut ausgekleidete Fisteleingänge zu „picken“, um einen Verschluss der Fistel durch Narbenbildung zu ermöglichen. Schließen sich die „Pits“ (die Eingangslöcher in der Falte), verklebt auch der ehemalig entzündete Hohlraum unter der Haut und heilt komplett ab.

1.1. Welche Fisteln sind geeignet?
Der Eingriff hat allerdings eine Rückfallrate (ein erneutes Auftreten der Fisteln) von mindestens 20 Prozent. Patienten, bei denen in Vergangenheit die alte Operationsmethode (komplettes Ausschneiden und meist offene Wundbehandlung) angewendet wurde, sind für das „Pit picking“ nicht geeignet. Insgesamt werden bei uns mehr als 80 Prozent der Patienten nach der Pit picking Methode operiert.

1.2. Operation
Der Eingriff erfolgt in der Bauchlage. Zunächst wird ein Betäubungsmittel gespritzt. Damit das Blutungsrisiko verringert wird, ist das Betäubungsmittel mit Adrenalin vermischt, das die Blutgefäße einengt. Trotzdem können unmittelbar nach der Operation Nachblutungen auftreten (zwei Prozent), die sofort gestillt werden können. Nachblutungen sind für den Patienten meist recht erschreckend („das viele Blut“), doch aus medizinischer Sicht ungefährlich, da die geschaffenen Wunden sehr klein sind. Die Betäubungsspritze ist an sich unangenehm („es brennt“), jedoch behaupten fast alle Patienten danach, dass die Spritze doch gut auszuhalten gewesen sei. Nachdem das Betäubungsmittel gespritzt wurde (wirkt sofort), wird nun der Eingriff durchgeführt, der nur wenige Minuten dauert. Die kleinen Fisteleingänge in der Falte (die „Pits“) werden ganz knapp ausgeschnitten („herausgepickt“), so dass zwei bis drei Millimeter große Wunden entstehen.
Seitlich der Falte wird ein zehn bis 15 Millimeter großer Entlastungsschnitt gesetzt, damit alles Entzündliche sich seitlich entleeren kann und die gepickten Pits zuheilen können. Danach wird ein einfacher Verband angelegt. Früher haben wir die Wunde ausgestopft (austamponiert), um Blutungen zu vermeiden. Allerdings haben sich doch sehr viele Patienten beklagt, dass das Entfernen des Verbandes zu schmerzhaft gewesen sei. Heute stopfen wir die Wunde nur noch sehr selten aus, höchstens wenn der Fall eintritt, dass die Wunde zu stark blutet.

Gut ein Drittel der Patienten entwickelt nach dem Eingriff eine gewisse Kreislaufschwäche. Bereits während der Operationen schwitzen sie stark, werden schweigsam oder zittern leicht. Keiner sollte sich deswegen schämen, da es eine recht häufige Reaktion, besonders bei jungen Männern, ist. Dieses Phänomen ist uns bekannt. Deswegen wird dem Patienten/der Patientin von einer Schwester oder einem Pfleger nach dem Eingriff beim Aufstehen geholfen, außerdem erhält er/sie etwas zum Trinken. Trotzdem ist es wichtig, eindringlich darauf hinzuweisen: bitte im Zweifel noch ein Moment liegen bleiben oder nicht aufstehen, wenn es Ihnen nach dem Eingriff unwohl ist. Vor der Operation muss der Betroffene darauf achten, genügend gegessen und getrunken zu haben! 15 Minuten nach dem Eingriff raten wir den Patienten im Vorraum sitzen zu bleiben, damit eine eventuell aufgetretene Nachblutung sofort behandelt werden kann.

1.3. Nach der Operation
Auf dem Heimweg empfiehlt es sich, eine Tablette Ibuprofen 400 einzunehmen. Danach sind jegliche Schmerzmittel nicht mehr notwendig. Es bestehen keine Einschränkungen nach der Operation: Patienten dürfen wirklich ALLES tun – Sport, Sauna, Badewanne, jegliche Arbeit. Auch eine Wundbehandlung ist nicht notwendig: Die Wunden sind so klein, dass deren Heilung nicht beeinflusst werden können: weder positiv, noch negativ. Der Verband kann am nächsten Tag abgenommen werden. Danach reicht es aus, wenn zwischen den Gesäßhälften Einlagen wie
Kompressen, Mullbinden oder Damenbinden eingelegt werden. Es soll lediglich auf auf Sauberkeit der Kleidung geachtet werden. Auf Salben, Spülungen oder Tabletten sollte verzichtet werden. Vom Rasieren ist ebenfalls abzuraten: es gibt Hinweise, dass das Rasieren die Heilung verschlechtert. Patienten dürfen theoretisch zwar am nächsten Tag bereits wieder arbeiten, doch wir raten dazu, sich einen Tag Ruhe zu gönnen.

Sollte die Wunde doch ausgestopft worden sein, so ist das Entfernen des Verbandes am nächsten Tag generell unproblematisch. Der Stoffstreifen liegt zirka zehn Millimeter tief. Da die Wundränder jedoch an dem Stoff etwas ankleben können und die meisten Patienten aus Angst „etwas kaputt zu machen“ den Streifen sehr langsam entfernen, kann ein schmerzhaftes Gefühl entstehen. Die beste Methode ist das ruckartige Herausziehen. Die meisten Patienten trauen sich jedoch nicht, den Stoffstreifen mit einem Ruck zu entfernen. Für den Patienten kann dies in diesem Moment zu einem unangenehmen Erlebnis werden. Im Zweifel kann der Streifen vom Hausarzt entfernt werden, jedoch ist der Eingriff „pit picking“ den meisten Ärzten nicht bekannt. Manche Ärzte empfehlen dann eventuell, eine erneute Tamponade, Spülungen oder ein Offenhalten der Wunden. Es ist jedoch wichtig, dass die Wunden nicht erneut ausgestopft oder anders offen gehalten werden, da sie so schnell wie möglich verkleben müssen. Am Tag nach der Operation kann eine leichte Nachblutung auftreten. Am besten ist es dann, sich für 15 Minuten direkt auf die Wunde zu setzen (es kann wirklich nichts passieren!). Die Blutungen versiegen nach einer Weile. Auch wenn es für den Laien furchterregend sein kann – die Blutverluste sind äußerst klein und damit gänzlich ungefährlich.

1.4. Wie erkennt man, ob die Operation gelungen ist?
Heilen die Fisteln wie gewünscht ab, so trocknet die Wunde innerhalb von zwei bis drei Wochen komplett aus, was bedeutet, dass in der Einlage kein Fleck mehr zu sehen ist. Zwischendurch kann der Ausfluss eitrig sein: dies ist normal. Nach sechs Wochen MUSS der operierte Bereich völlig trocken sein. Ein Ausfluss nach diesem Zeitraum ist ein deutlicher Hinweis auf einen Rückfall, also auf ein Nicht-Gelingen. Eine gewisse Schmerzhaftigkeit kann allerdings auch länger anhalten, im Einzelfall auch über Monate. Eine Kontrolluntersuchung ist nicht zwingend notwendig. In seltenen Fällen treten die Fisteln nach weiteren Monaten erneut auf (meist als plötzliches Nässen). Im Zweifel sollte der Bereich in unserer Praxis angesehen werden. Wir stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung.

1.5. Wie behandelt man einen Rückfall?
Generell kann eine „Pit picking“ Operation beliebig oft wiederholt werden. Manche Patienten wünschen sich dies auch. Bei einem nicht ausgedehnten Befund führen wir den Eingriff in der Tat ein zweites Mal durch. In allen übrigen Fällen empfehlen wir die Operation nach Karydakis (wird im Folgenden erläutert). Das vielfach immer noch eingesetzte Ausschneiden und Offenlassen der Fistel wird bei uns IN KEINEM FALL durchgeführt.

2.    Operation nach Karydakis
Der griechische Chirurg G. Karydakis führte Ende der 1960er Jahre eine Operationsmethode ein, die das gesamte Wissen über die Steißbeinfistel bis heute nachhaltig verändert hat. Er demonstrierte, dass die Steißbeifisteln nicht angeboren sind. Er erkannte, warum die alten Operationsmethoden, vor allem das Ausschneiden und Offenlassen der Wunde, zu schlechten Ergebnissen, von teilweise über Jahre nicht verheilenden Wunden und Rückfallraten zwischen zehn und 30 Prozent, führten. G. Karydakis vermutete, dass die Wunden in der Gesäßfalte in einem feuchten, unsauberen, bakterienbesiedelten und sauerstoffarmen Milieu sehr schlechten Heilungsbedingungen ausgesetzt sind. Er schlug vor, eine Operation durchzuführen, nach der die Wunde seitlich der Gesäßfalte liegt. Dies war möglich, indem die Fisteln hauptsächlich auf einer Seite ausgeschnitten wurden. Beim Zusammennähen wird die Haut der Gegenseite rübergezogen und festgenäht. Die Naht liegt ein bis zwei Zentimeter seitlich der Mitte und verheilte gut. Bereits 1973 veröffentlichte G. Karydakis seine Ergebnisse: etwa 6.000 Operationen mit einer Rückfallrate von ungefähr einem Prozent. Diese Ergebnisse wurden seither von vielen Autoren wiederholt. 1980 wurde der Eingriff teilweise von J. Bascom abgeändert (er nannte es „Cleft lift“) auch bei ihm waren die Ergebnisse gleich gut. Da bei beiden Operationen (ebenso bei der Limberg’schen Operation, die ebenfalls in Deutschland angewendet wird) ein Haut-Lappen gebildet wird, nennt man diese Eingriffe „plastische“ Operationen. Alle Methoden weisen niedrige Rückfallraten auf und stellen heutzutage die besten bekannten Methoden in der Behandlung von Steißbeinfisteln dar. Auch wir führen die Karydakis-Operation seit 2003 durch und können eine Rückfallrate von ein bis zwei Prozent verzeichnen.

2.1. Welche Befunde sind geeignet?
Alle! Wir führen die Karydakis-OP bei Befunden durch, für die das „Pit picking“ Verfahren nicht in Frage kommt und bei Patienten, die eine Rückfall nach „Pit picking“ erlitten haben. Auch Patienten, die nach den alten Operationsmethoden behandelt wurden oder die offene Wunden haben, werden nach dieser Methode operiert. Zeitdruck besteht hier nicht: die Karydakis-Operation kann bei einer Fistel durchgeführt werden, die zwei Tage oder auch 20 Jahre besteht.

2.2. Wie geht man vor?
Der Eingriff wird stationär unter Vollnarkose oder Rückenmarkbetäubung durchgeführt. Drei Tage nach der Operation wird der Patient entlassen. Die Schmerzen sind nach der Operation eher leicht. In die Wunde wird ein Schlauch (Drainage) eingelegt, damit die Wundflüssigkeit ablaufen kann. Die Drainage wird am Entlassungstag entfernt (ist nicht schmerzhaft). Zehn Tage nach der Operation werden dann die Fäden entfernt. Spezielle Vorsichtsmaßnahmen sind nicht erforderlich, doch empfehlen wir den Patienten, sich ruhig zu halten und zum Beispiel das Treppensteigen zu vermeiden. Sitzen ist ganz normal möglich. Nach dem Stuhlgang behilft man sich am besten mit dem Abbrausen durch Wasser. Die ersten zehn Tage sollte ein Pflaster verwendet werden.

2.3. Was kann passieren?
Sieht die Wunde am zehnten Tag nach der Operation gut abgeheilt aus, so ist eine unproblematische und endgültige Heilung so gut wie sicher. Aus diesem Grund möchten wir alle Patienten zum Fadenzug gern sehen, da die Aussage über den weiteren Verlauf weitgehend sicher gestellt werden kann. Bei etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten kommt es zu Störungender Wundheilung. Bei jedem Patienten sammelt sich unter der Haut Wundwasser (sog. „Serom“) an, bei wenigen kann dieses die Wunde teilweise öffnen und sich nach außen entleeren. Dies passiert meist acht bis 12 Tage nach der Operation. Der Patient bemerkt eine plötzliche schwallartige Entleerung von Flüssigkeit aus der Wunde. Da die Menge recht groß ist und das Wundwasser blutig angefärbt ist, erschrecken viele Patienten. Es handelt sich jedoch um keine Nachblutung! Die Wundheilung dauert hier allerdings statt zirka zehn Tage nun vier bis sechs Wochen. An ein oder zwei Stellen wird die Wunde über ein bis zwei Zentimeter geöffnet, damit das Wundwasser sich langsam komplett entleeren und die Wunde verkleben kann. Bleibt die Hautnaht größtenteils dort stehen, wo sie gesetzt wurde (also seitlich der Mitte), so wird mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Rückfall auftreten. Die meisten Patienten können auch trotz einAbb. 1: Die Fisteln in der Falte („Pits“) sind mit
Pfeilen markiert. Die Anzahl der Fistel spielt weder im Verlauf der Erkrankung, noch in der
Behandlung eine Rolle. Die Stelle, an der früher ein Abszess (Eiterbeule) eröffnet wurde, ist mit einem Pfeilkopf gekennzeichnet.
er noch nicht ganz abgeschlossenen Heilung nach etwa vier Wochen arbeiten, benötigen allerdings dann noch dicke Verbände. Unbedingt zu vermeiden ist ein komplettes Aufreißen der Wunde. Dies würde zu allen Beschwerden der alten Methode führen, inklusive einer Rückfallgefahr. Aus diesem Grund würden wir, wenn es uns möglich ist, Patienten mit Wundheilungsstörungen bei uns bis zur vollständigen Abheilung behandeln. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Patienten, die von sehr weit anreisen und zu mehreren Wundkontrollen nicht erscheinen können, im Falle von Komplikationen nicht sicher sachgemäß behandelt werden könnten. Dies wäre dann recht enttäuschend, sowohl für den Patienten als auch für uns als behandelnde Ärzte.

2.4. Wie sind die Ergebnisse Jahre später?
Nach den plastischen Lappeneingriffen, inklusive der Operation nach Karydakis, sind späte Rückfälle äußerst unwahrscheinlich, wenn das unmittelbare Operationsergebnis gut ist. Über mehrere Monate kann eine leichte Taubheit über der Wunde bestehen, diese ist jedoch wenig störend. Wegen des kosmetischen Ergebnisses braucht sich niemand Sorgen zu machen: in vielen Umfragen haben Patienten bestätigt, dass sie mit dem kosmetischen Ergebnis zufrieden waren. Laien sollten auch keine Op-Fotos im Internet ansehen, da oftmals ein falscher Eindruck entsteht.